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Alle, Immer, Nie - Warum Pauschalisierungen unser Denken verengen
December 6, 2025
Es sind kleine Worte, und doch tragen sie großes Gewicht: alle, immer, nie. Sie schleichen sich in unsere
Sprache ein, oft unbewusst. „Alle jungen Leute wollen nicht mehr arbeiten.“ „Nie räumt mein Mann
die Spülmaschine aus.“ „Immer muss ich alles alleine machen.“ „Alle alten weißen Männer sind
frauenfeindlich.“ Solche Sätze klingen nach Überzeugung - tatsächlich aber verraten sie vor allem
eines: eine gedankliche Abkürzung.
Pauschalisierungen sind bequem. Sie geben uns das Gefühl, die Welt zu verstehen, sie ordnen
zu können. Das Gehirn liebt Vereinfachungen – sie sparen Energie. Doch das, was als
Orientierungshilfe beginnt, wird schnell zur gedanklichen Mauer. Denn wo wir „alle“ sagen,
hören wir auf, genau hinzuschauen. Wo wir „nie“ sagen, verlieren wir die Chance, Ausnahmen
zu bemerken. “Immer“ nimmt uns unsere Flexibilität.
Die Psychologie sagt hier: Pauschalisierungen sind eine Form der „kognitiven Verzerrung“. Sie
helfen kurzfristig, das Chaos der Welt zu sortieren – aber langfristig verhindern sie Empathie,
Offenheit und Verständnis.
Menschen sind keine Schubladen
Wir packen Menschen gern in Schubladen: die Jugend von heute, die Alten, die Männer, die
Frauen, die Akademiker, die Handwerker. Doch wer einmal selbst in eine Schublade gesteckt
wurde, weiß, wie eng es dort ist. Man verliert Luft zum Atmen – und die Lust, sich zu zeigen.
Dabei ist die Wahrheit und das Leben viel bunter. Ja, es gibt junge Menschen, die wenig Lust
auf Arbeit haben – und andere, die voller Energie anpacken. Es gibt ältere Menschen, die starr
in alten Mustern leben – und solche, die jeden Tag Neues lernen. Es gibt Männer, die
selbstverständlich den Haushalt teilen – und Kinder, die eigenständig Verantwortung übernehmen.
Menschen sind unterschiedlich. Das ist anstrengend. Aber auch wunderbar.
Ein Perspektivwechsel tut gut
Wenn wir Pauschalisierungen vermeiden wollen, braucht es nicht viel – nur Neugier. Ein offenes
Ohr. Ein ehrliches „Erzähl mal“. Wir können lernen, Sätze anders zu formulieren: statt „Alle
Jugendlichen sind unmotiviert“ vielleicht: „Ich habe den Eindruck, dass manche Jugendliche
gerade müde oder orientierungslos wirken - woran könnte das liegen?“ Solche Fragen öffnen
Türen, statt sie zuzuschlagen. Und genau das brauchen wir: Räume, in denen Denken sich
bewegen darf. Denn: Der Kopf ist rund, damit das Denkendie Richtung ändern kann.
Zum Schluss ein kleiner Reminder:
Sprache formt Wirklichkeit. Wenn wir achtsamer mit unseren Worten umgehen, sehen wir
klarer - und Menschen werden wieder Menschen, keine Etiketten. Vielleicht ist das der
erste Schritt zu einer Gesellschaft, die weniger urteilt und mehr versteht.
Denn wer aufhört, alle über einen Kamm zu scheren, beginnt, wirklich hinzusehen. Und wer
wirklich hinsieht, kann nicht mehr so leicht hassen.


