
Warum eigene Erkenntnisse stärker wirken als Ratschläge
November 17, 2025
Es gibt Sätze, die öffnen Türen – und es gibt Sätze, die schließen sie.
Einer dieser öffnenden Sätze ist: „Ich habe die Erfahrung gemacht, dass…“
Immer wieder höre ich in Gesprächen Menschen sagen:
„Mein Psychologe hat gesagt…“
„Meine Therapeutin meint…“
„In der Krise hat mir jemand geraten…“
All das kann hilfreich sein – und gleichzeitig bleibt es oft eine Erfahrung aus zweiter Hand. Worte von Fachleuten, Ratgeberinnen
oder Therapeutinnen können wertvolle Impulse geben. Doch sie werden erst dann lebendig und wirksam, wenn wir sie in unserem
eigenen Leben erproben, fühlen und verkörpern.
Es ist ein großer Unterschied, ob jemand sagt: „Meine Psychologin hat gesagt, Bewegung hilft gegen depressive Verstimmungen.
Oder: „Ich habe gemerkt, dass es mir besser geht, wenn ich regelmäßig tanzen gehe.“
Im ersten Satz sprechen wir über Wissen. Im zweiten aus Erfahrung.
Psychologisch betrachtet, stärkt dieser Unterschied unser Selbstwirksamkeitserleben – also das Gefühl, dass wir selbst etwas
bewirken können. Wenn wir erleben, dass eine bestimmte Handlung – sei es Tanzen, Atmen, Spazieren, Schreiben – uns guttut,
dann wird daraus kein äußerer Rat, sondern eine innere Wahrheit.
Und innere Wahrheiten tragen. Sie erden. Sie bleiben.
„Erzähle mir, und ich vergesse.
Zeige mir, und ich erinnere mich.
Lass es mich tun, und ich verstehe.“
— Konfuzius
Dieses alte Zitat bringt es auf den Punkt: Erkenntnis entsteht erst, wenn wir ins Handeln und Fühlen kommen.
Mini-Übung: Vom Hören zum Erleben
1. Erinnere dich an einen Ratschlag oder Gedanken, den du in letzter Zeit gehört hast – vielleicht von einer Therapeutin, einem
Buch oder einer Freundin.
2. Frage dich: Habe ich das schon einmal wirklich ausprobiert
3. Wähle heute oder in den nächsten Tagen eine kleine Handlung, die diesen Impuls lebendig macht.
Wenn du gehört hast, dass Atmung beruhigt: Setz dich kurz hin, atme bewusst ein und aus.
Wenn du weißt, dass Bewegung hilft: Tanze für dich, auch nur zwei Minuten.
4. Beobachte: Was verändert sich in dir, wenn du selbst erlebst, was du sonst nur gehört hast?
Vielleicht magst du am Ende leise sagen: „Ich habe die Erfahrung gemacht, dass…“ und spüren, wie sich dieser Satz nach innen
öffnet – wie er dich zurückbringt zu dir selbst.
Über Ratschläge – und warum sie manchmal schwer zu verdauen sind
Ratschläge haben oft etwas Gutes im Sinn – und gleichzeitig schwingt in ihnen manchmal das kleine Wörtchen „sollte“ mit.
Und „sollte“ kann Druck erzeugen.
„Du solltest mehr schlafen.“
„Du solltest entspannen.“
„Du solltest loslassen.“
Doch was, wenn wir stattdessen sagen: „Ich habe die Erfahrung gemacht, dass mir Pausen guttun.“ „Ich merke, dass mir Tanzen
hilft, mich zu spüren.“
Das ist keine Belehrung, sondern eine Einladung. Ein Impuls, der Raum lässt. Ein leiser Hinweis, dass jede*r selbst herausfinden
darf, was sich gut anfühlt.
Ich selbst möchte keine Ratschläge geben. Was ich teile, sind Erfahrungen, Beobachtungen, Einladungen.
Manchmal ist das, was ich sage, vielleicht ein Impuls, vielleicht eine Inspiration – und manchmal ist es auch einfach in Ordnung,
gar nichts zu sagen.
Denn wirkliche Veränderung beginnt nicht mit dem, was jemand sagt – sondern mit dem Moment, in dem du selbst spürst, was
dir gut tut.
Und das ist ein stiller, kraftvoller Anfang.
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