
Warum wir aufhören sollten, unsere Zeit „totzuschlagen“
November 17, 2025
Neulich habe ich bei Instagram ein Reel gesehen, in dem eine Frau in ihrem Auto saß und sagte: „Ich muss jetzt
noch eine halbe Stunde meine Zeit totschlagen.“
Wenn du mich kennst und das hier liest, musst du wahrscheinlich schon grinsen.
Denn dieses kleine Wörtchen muss löst bei mir jedes Mal eine Art allergische Reaktion aus – vor allem in dieser
Kombination.
Das Wort müssen ist so unscheinbar, aber es trägt eine Menge Gewicht.
Es erzeugt Druck – egal, ob wir es zu anderen sagen („Du musst jetzt deine Hausaufgaben machen!“) oder zu
uns selbst („Ich muss noch einkaufen gehen. Ich muss noch ein Geschenk besorgen. Ich muss noch auf diese
Geburtstagsparty.“).
Kleiner Spoiler: Wer glaubt, er muss zu meiner Geburtstagsparty kommen – darf gerne zu Hause bleiben.
Niemand muss kommen. Wer will, der darf. Und das ist ein feiner Unterschied.
Warum müssen wir Zeit „totschlagen“?
Zurück zu dem Reel. Mich hat dieser Satz beschäftigt: Ich muss jetzt Zeit totschlagen.
Warum eigentlich? Warum sprechen wir von Zeit totschlagen, wenn wir doch gerade etwas so Kostbares haben –
nämlich Zeit, die uns gehört? Eine halbe Stunde, die nicht verplant ist. Eine halbe Stunde, in der niemand etwas
von uns erwartet. Das ist doch kein Muss, das ist ein Geschenk.
Warum also diese gewonnene halbe Stunde als lästig empfinden – und sie mit einem Ausdruck wie
Zeit totschlagen abwerten? Warum nicht stattdessen Zeit genießen?
Ein Perspektivwechsel: Zeit nutzen statt sie zu bekämpfen
Was wäre, wenn wir diese kleinen Pausen des Lebens anders betrachten würden?
Wenn wir uns über sie freuen könnten, anstatt sie mit Druck zu belegen?
Eine halbe Stunde Leerlauf kann so viel sein:
- ein Moment für einen Kaffee oder Tee,
- ein kurzer Spaziergang an der frischen Luft,
- ein paar Minuten mit geschlossenen Augen und tiefen Atemzügen,
- oder einfach still dasitzen und vor sich hin starren – ohne schlechtes Gewissen.
„Denn Zeit ist Leben. Und das Leben wohnt im Herzen.“
– Michael Ende, Momo
Zeit ist kein Feind, den man bekämpfen muss. Zeit ist etwas, das man fühlen darf. Etwas, das uns Leben
schenkt – wenn wir sie lassen. Vielleicht schlägt uns die Zeit ja selbst etwas vor, wenn wir ihr Raum geben.
Von den grauen Männern und der verlorenen Zeit
In Michael Endes Momo stehlen die „grauen Herren“ den Menschen die Zeit. Sie überreden sie dazu,
jede Minute zu optimieren, zu sparen, zu nutzen – und nehmen ihnen damit genau das, was Zeit
wertvoll macht: das bewusste Erleben des Augenblicks.
„Die Menschen glaubten, Zeit zu sparen. Aber in Wirklichkeit verloren sie sie.“
– frei nach Michael Ende, Momo
Genau das passiert, wenn wir glauben, wir müssten Zeit totschlagen. Wir verlieren sie – nicht, weil sie
vergeht, sondern weil wir sie nichtwirklich leben.
Ich persönlich freue mich über jede unerwartet gewonnene Minute Freizeit. Denn das ist Zeit mit Mehrwert –
Zeit für mich. Und die ist niemals „totzuschlagen“, sondern zu leben. Oder besser gesagt: vorzuschlagen –
sich von ihr vorschlagen zu lassen, was jetzt gerade guttut.
Vielleicht schlägt uns die Zeit ja selbst etwas vor, wenn wir ihr Raum geben.
Carpe Diem. Nutze den Tag – im übertragenen Sinne: Nutze die Zeit, die dir zur Verfügung steht.
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